Internet-Recherche bei Bewerbungen

Wenn die Bewerbung durch die Internet-Recherche des Arbeitgebers „Kratzer“ bekommt

Kommentar zum Beschluss des LAG Düsseldorf vom 10.04.2024 – 12 Sa 1007/23

Um die Eignung der Bewerberinnen und Bewerber festzustellen, kann eine Internet-Suche zulässig sein. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Bewerbenden über diese Datenerhebung gemäß Art. 14 DSGVO zu informieren. Die Information über die Datenkategorien (Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO) muss dabei so präzise und spezifisch gefasst sein, dass die betroffene Person die Risiken abschätzen kann, die mit der Verarbeitung der erhobenen Daten verbunden sein können. Kommt der Arbeitgeber dieser Informationspflicht nicht nach und nutzt die erlangten Informationen im Einstellungsverfahren, steht dem Bewerber ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.

So ist es einer Universität widerfahren, die 1.000,00 € Schadensersatz an einen Bewerber zahlen muss. Diese Universität hatte im Rahmen einer Mutterschutz- und Elternzeitvertretung eine für ca. 18 Monate befristete Stelle für "eine*n Volljurist*in (m/w/d)" ausgeschrieben. Darauf bewarb sich ein Volljurist und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er wurde zu einem Vorstellungsgespräch im digitalen Format eingeladen.

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Da der Name des Bewerbers dem Personaldezernenten bekannt vorkam, googelte er dessen Namen im Internet. Durch diese Internetrecherche erfuhr er, dass der Bewerber vom Landgericht München I erstinstanzlich – noch nicht rechtskräftig – wegen Betrugs in drei Fällen und versuchten Betrugs in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden war, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Über den Bewerber fand er zudem einen Wikipedia-Eintrag, in dem auf zahlreiche AGG-Gerichtsprozesse hingewiesen wird. In dem Eintrag stand geschrieben, dass der Bewerber laut Spiegel Online der „AGG-Hopper“ der Republik sei. Darüber hinaus wird auch auf das Strafverfahren hingewiesen.

Im Einstellungsgespräch verweist der Personaldezernent auf den Wikipedia-Eintrag und weist den Bewerber darauf hin, dass er prominent sei, weil er über einen eigenen Wikipedia-Eintrag verfüge. Darüber wurde dann ein wenig gesprochen.

Der Auswahlvermerk enthielt folgende Anmerkung:

Anmerkung:

"Aus öffentlich zugänglichen Quellen ist zu entnehmen, dass Herr Y. bereits erstinstanzlich wegen gewerbsmäßigen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt wurde (Landgericht München, Urteil vom 06. Juli 2020, Az. 12 KLs 231 Js 139171/12). Der Vorwurf lautete, Herr Y. habe vielfach fingierte Bewerbungen eingereicht, um potenzielle Arbeitgeber anschließend wegen angeblicher Diskriminierung zur Zahlung von Entschädigungen (nach AGG) zu veranlassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Herr Y. hat hiergegen Revision beim BGH eingelegt."

Datenerhebung mittels "Google-Recherche" 

Nach den Feststellungen des LAG Düsseldorf ist die Internetrecherche im Auswahlverfahren eine Datenverarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Diese Datenverarbeitung ist trotz der fehlenden Einwilligung des Bewerbers rechtmäßig.

Grundlage für die Datenerhebung ist Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit b DSGVO. Diese Vorschrift erlaubt die Verarbeitung von Daten, die zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich sind, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen. Aus Sicht des Gerichts lag eine vorvertragliche Maßnahme vor, denn es ging um die Frage, ob mit dem Bewerber ein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte.

Die vorvertragliche Datenerhebung erfolgte auch auf Anfrage des Bewerbers, denn mit der eigenen Bewerbung setzt er den Auswahlprozess in Gang und hat damit die i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b DSGVO erforderliche Eigeninitiative an den Tag gelegt.

„Erforderlichkeit“ der Datenerhebung

Das Gericht hob hervor, dass nicht jede Datenerhebung im Bewerbungsprozess erlaubt ist. Die Datenerhebung müsse „erforderlich“ sein. Dies sei vorliegend der Fall, da einem Mitglied der Auswahlkommission der Name des Bewerbers bekannt vorkam und dadurch aufgefallen war, dass er nicht nur im Einzelfall Entschädigungsverlangen nach dem AGG geltend gemacht hatte. Zudem ging es um öffentlich zugängliche Informationen.

Gemäß Art. 13 DSGVO ist der Arbeitgeber aber verpflichtet, den Betroffenen über die Erhebung seiner personenbezogenen Daten zu informieren. Gemäß Art. 14 DSGVO besteht die Informationspflicht, wenn personenbezogene Daten nicht direkt beim Bewerber erhoben wurden.

Diese Information muss präzise und verständlich sein. Sie muss dem Betroffenen ermöglichen, die Art der erhobenen Daten sowie deren Verarbeitungszweck zu verstehen und die damit verbundenen Risken abschätzen zu können.

Das Gericht stellte fest, dass der Arbeitgeber diese Pflicht verletzt hatte, indem er den Bewerber nicht in ausreichender Weise und zum richtigen Zeitpunkt über die durchgeführte Google-Recherche informierte. Der Arbeitgeber hätte konkret auf die gefundenen Daten zur nicht rechtskräftigten Verurteilung wegen Betruges und dem Wikipedia-Eintrag informieren müssen. Da es an dieser Information fehlte, gestand das Gericht dem ansonsten erfolglosen Bewerber einen Schadensersatz nach § 92 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 1.000 Euro zu.

(Artikel aktualisiert am 12.09.2024)

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Die Verfasserin

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RAin Britta Ruiters 
Rechtsanwältin und PIW-Trainerin

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